Nach
der Bundeswehrzeit bei einer Radareinheit bewarb ich mich bei der Bundeszollverwaltung
und kam nach den abgeschlossenen Lehrgängen zum Grenzaufsichtsdienst in die
Ausbildungsdienststelle Bad Harzburg-Taternbruch, wo ich untergebracht
war und von einer Kochfrau versorgt wurde.
Wir wurden von den Stammbeamten in das Grenzgebiet eingewiesen und sie erzählten
uns die alten Schauergeschichten aus der Nachkriegszeit, als Grenzschleuser
Menschen, die sich ihnen anvertraut hatten, beraubten und ermordeten. Angeblich würde man die Schreie der Toten bei
bestimmten Mondverhältnissen noch hören, u.s.w.
Nach einiger Zeit kam ich dann zu meiner Stammdienststelle in Bad
Harzburg-Eckertal, wo wir in der Blankenburger Straße auch eine
Dienstwohnung beziehen konnten.
Ich bekam den schwarzen Schäferhund "Rauk" zuteilt und wurde Hundeführer.
In
dieser Zeit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurden die Sperranlagen durch
die DDR-Grenztruppen immer weiter ausgebaut.
Durch den Grenzübersichtspunkt in Eckertal hatten
wir an der Grenze
viele Besucher, die meine Dienstverrichtung mit Hund und Fahrrad bei schönem
Wetter bewunderten und auch im Winter bei glitzerndem Schnee staunten, wenn ich
mit Skiern und Hund daher kam. "Und dafür noch bezahlt werden!", war einer von
vielen netten Sprüchen.
Die Grenztouristen sahen aber nicht den Dienst in den nassen und kalten
regnerischen Nächten, sie hörten nicht die Detonationen der Selbstschussanlagen,
die uns in der Nacht mit dem Gedanken -"bitte lass es kein Mensch gewesen sein"-
aus dem Schlaf rissen, sie hörten nicht das Schreien der verletzten Tiere, die
am Metallgitterzaun verendeten, sie hörten nicht die Alarmanlagen des
Hinterlandzaunes. Die Unmenschlichkeit dieser Grenze war ständig zugegen, ebenso
das uns gegenüber abweisende und verachtende Verhalten der DDR-Grenzsoldaten.
Ein kleiner Anflug von menschlicher Freundlichkeit
Manchmal
konnte man sie aber doch erleben - die freundliche Regung eines Grenztruppenangehörigen.
So wie an dem Tag, als ich auf dem Internationalen Weg in Richtung der
Preußische Wanne einen vor dem Metallgitterzaun am unmittelbaren Grenzverlauf
befindlichen Grenzaufklärer "begleitete", der sich für ein kleines Päuschen auf
einen Stein setzte.
Dieser Stein war dummerweise aber bereits durch eine Kröte besetzt.
Die Kröte
überlebte leider nicht und der rückwärtige Teil der Hose des Grenzaufklärers sah
fast ebenso mitgenommen aus.
Trotzdem (oder gerade deswegen) lächelte er zu mir herüber und ich grüßte
zurück. So gingen wir weiter unseres Weges.
Unerlaubter
Grenzübertritt eines Zollangehörigen
Ein Tag, an dem
sich ein unerlaubter
Grenzübertritt eines Zollangehörigen von West nach Ost ereignete,
ist in meinen Erinnerungen
auch noch fest eingebrannt.
In den frühen Morgenstunden postierte ich im Dienstfahrzeug mit meinem
Diensthund an dem Grenzfluss der Ecker unterhalb der Eckertalsperre.
In diesem Grenzbereich
befanden sich die DDR-Sperranlagen
aufgrund der
Geländebeschaffenheit entlang der Ecker erst in einigen Hundert Meter Tiefe auf
DDR-Gebiet und waren von unserer Seite nicht einsehbar. Also ein relativ ruhiger
Grenzabschnitt ohne erwähnenswerte Vorkommnisse.
Plötzlich tauchte eine Herde Muffelwild auf und wechselte von West nach Ost auf
das Gebiet der DDR.
Der Hund sah die Braten und alles Rufen half nichts mehr. Mit angelegtem
Zollschild lief er in den Arbeiter- und Bauernstaat.
Nach einiger Zeit kam er doch mit hängender Zunge und eingekniffenem Schweif
wieder zu seinem Herrchen zurück.
Ich hatte meinen Rauk schon in der Propagandasendung des DDR-Fernsehen "Der
Schwarze Kanal" mit Schmuddel-Ede (Eduard von Schnitzler) gesehen, unter dem
Motto "Jetzt flüchten schon die Zollhunde in unser Arbeiter- und Bauernparadies!"
Maßband
Bei dem
ersten Nachtdienst nach meiner Hochzeit stand ich auf dem Besucherpodest
Eckertal und zeigte stolz den Ehering zu den
diensttuenden Grenzsoldaten
auf dem Beobachtungsturm
Stapelburg empor, als plötzlich der große Turmscheinwerfer anging und mein Hund,
ich sowie der Ring im strahlenden Licht standen.
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Die Aussichtsplattform Eckertal mit
Blick nach Stapelburg |
Der Beobachtungsturm BT11 vor
Stapelburg |
Dann ging ein Klappfenster im Turm auf und es wurde ein Stück eines Maßbandes
rausgehängt.
Ich bin mir nicht sicher, ob es die Resttage des noch zu verrichtenden Dienstes
waren oder die Tage des Soldaten bis zu seiner Hochzeit, die er mir mit dem
Maßband anzeigen wollte.
1980 ließ ich mich an die
Westgrenze nach Aachen versetzen und habe bis zu meinem Ruhestand noch eine sehr
schöne, abwechslungsreiche und spannende Dienstzeit erlebt.
aufgeschrieben von Burkhard Brenk im April 2015
Ergänzender Hinweis:
Burkhard Brenk hat seine Filmaufnahmen, die
er bzw. seine Gattin Beate in den Jahren 1975 bis 1980 in dem Grenzabschnitt
zwischen der Straße Lochtum-Abbenrode/DDR und Eckertal-Stapelburg/DDR gemacht
hat, über den WDR digitalisieren lassen und auf deren digit-Plattform
archiviert.
Die zwei Filme können über folgende Links
aufgerufen werden:
Film 1
http://digit.wdr.de/entries/71455?index=0&q=eyJ7Yn0iOiJFY2tlcnRhbCJ9&qt=search
(Länge 3:43)
Film 2
http://digit.wdr.de/entries/71456?index=1&q=eyJ7Yn0iOiJFY2tlcnRhbCJ9&qt=search
(Länge 3:53)
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