Erinnerungen
(erschienen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung am 14. Februar 2003)
„But now these days are gone, I’m not so self
assured, now I find I‘ve change my mind and opened up the doors“ - diese
Zeilen werde ich wohl nie vergessen. Die Zeilen sprachen mir in der siebten Klasse aus der Seele, auch wenn
die Jungs bei jeder „Pliiiiees help mie“ in den höchsten Tönen kreischten.
Was alt ist, war damals eben schlecht. „I opened up the doors“, sangen die
Beatles. Ich war damals gerade auf ein angeblich total schweres Gymnasium
gekommen. Hatte ich mir damit eine Tür geöffnet? Meine beste Freundin ging auf
die Hauptschule, und in dieser Zeit spürte ich, dass ich sie verlieren würde.
Das Lied erinnert mich an meine Pubertät, meine Unsicherheit darüber, wer
ich bin und was ich will. Ja, vor der siebten Klasse war ich noch nicht
mittendrin, im Karrierekampf, im Kampf um den tollsten Jungen, die neueste
Levi‘s. Aber dann, als ich das Lied hörte, wusste ich, dass mir der Anfang
einer neuen Zeit meines Lebens bevorstand.
SABRINA M.
In der Orientierungsstufe stand einmal in der Woche Gitarrenunterricht
auf dem Stundenplan. Lauter Zehnjährige saßen im Stuhlkreis und warteten
gespannt auf die Notenblätter. „Let it be“ von den
Beatles. Wie
spielte man das Lied? Wer hat das komponiert? Niemand konnte damit etwas
anfangen. Alle buhten. Der Lehrer motivierte: „Und jetzt alle: ‚Let it
beeee.“‘ Egal, wie schief das klang, alle sangen mit. Dennoch machten die
Akkorde das Stück zu etwas Besonderem. Nachmittags hörte ich mir die CD an.
Erst jetzt entdeckte ich die Bedeutung des Liedes.
CLAUDIA K.
Ein Auto voller Freunde. Schönes Wetter. Tolles Ziel. Gute Stimmung.
„Hey, pack mal das Beatles-Tape rein.“ Wunsch ist Befehl, handelt es sich
bei der Band doch um den größten gemeinsamen Nenner. „What
would you do if I sang out of tune ...„ fängt Ringo an zu singen. Kein
anderes Lied der Beatles steht so für Freundschaft wie „With a little Help
from my Friends“. Schließlich ist das Lied eine Metapher jeder Freundschaft:
Die Gruppe fragt: „Do you need anybody?“ Ringo antwortet: „I want somebody
to love.“ Einfach
ausprobieren:
Eine Reihe singt Ringos Part, die andere den vom Rest. Sollte sich der
Wunsch nach der Person zum Lieben aber erfüllen, steigt man besser auf die
„ab-18-Version“ von Joe Cocker um: Sind doch, wie darin besungen, die Frauen
und der Alkohol schuld am Bruch der Freundschaften. COSTA A.
Es ist sechs. Oder halb sieben. Vielleicht schon acht. Auf jeden Fall
seheint die Sonne. Jan Delay‘s „Die Party ist zu Ende“ ist gerade zu Ende,
und die letzten Gäste liegen sich in den Armen. Als der Gastgeber beginnt,
durch das Wegräumen leerer Flaschen Aufbruchstimmung zu verbreiten, erklingt
eine gezupfte Gitarre. Die Welt steht für einen Moment still. „Here comes
the Sun, and I say it‘s allright“, singt der Sänger, und das ist genau das,
was alle denken. So ist es richtig. Man kann sich auf den Heimweg machen. Bis
zur nächsten Party. PHILLIP W.
Ich war fast 15, und ein dreiwöchiger Englisch-Sprachkurs auf der
Mittelmeerinsel Malta stand auf dem Plan. Dort stellte sich bald heraus, dass
es ein kleiner, dicker Engländer besonders auf mich abgesehen hatte. Vor der
Abfahrt saß ich eines Abends etwas abseits von den anderen, als er sich neben
mich setzte und mich auf Englisch voll quasselte. Genervt hörte ich nicht
wirklich hin, denn er redete über die Beatles, was mich nicht interessierte.
Mein Englisch war bis dahin nicht gediehen, so vernahm ich immer nur die Wörter
„hey“ und „jude“, was mich total nervte. Irgendwann versuchte ich ihm
verärgert zu erklären, dass mich das alles nicht interessiere, stand auf und
ging. Als ich ein paar Tage später im Flieger nach Hause saß, gab mir meine
Freundin ein Paket von dem kleinen Briten. Es war ein Kassettenrecorder mit
einer Endlosschleife von „Hey Jude“ darauf. Dabei
stand: „I remembered to let you into my heart. Now you can start to make it
better!“ VIKTORIA R.
Ich
bin mit den Beatles groß geworden, um genau zu sein, sie waren früher sogar
mit mir verwandt. Die vier Pilzköpfe hingen sauber eingerahmt in unserem
Flur. Links davon hing Opa Fritz, rechts davon eine Großtante, deren Namen ich
vergessen habe. „Das sind Onkel John, Onkel Ringo, Onkel Paul und Onkel
George“, erklärte mir mein Vater. Bald kannte ich die Namen der
Fotografierten. „Das ist Opa Fritz, das ist Onkel John, und das ist meine
Mutter, als sie noch jung war.“ Irgendwann sah ich eine Wiederholung von der
legendären Fernsehsendung „Our World“, in der meine lieben Onkel vor
weltweit 400 Millionen Zuschauern „All you need is Love“ spielten. Onkel
John saß dort mit meiner halben Familie, sang, spielte Gitarre und kaute
nebenbei noch Kaugummi - seitdem hoffe ich bei jedem Familientreffen auf Vollzähligkeit.
DIRK SCH.
Paul ist der Größte
Neben
John war Paul immer der unbedeutendere Beatle. Weniger Drogen, weniger Haar,
einfach weniger Popstar. Ein gemeines Vorurteil. Wer warf dem dubiosen Großmaul
„Magic Alex“ denn Unsummen hinterher, damit der im Auftrag von Apple endlich
eine Lautsprechertapete fürs Wohnzimmer erfand. Wer hat denn die Tonbandloops
zu „Tomorrow never knows“ beigesteuert, die selbst die Chemical Brothers
noch zu ihren musikalischen Wurzeln zählen. Und wer war das Walrus? John? George? Ringo? Eben: Paul.
Und
weil man an diese Großtaten nicht oft genug erinnern kann, sollte sich jeder
schnell eine McCartney-Figur ins Bücherregal stellen. Und seine PopVerbrechen
mit den Wings ganz schnell vergessen. KARSTEN
R.